Digital Detox Smartphone Green

Facebook? Nope. Instagram? Auch nicht. Zumindest WhatsApp? Keine Chance. Ein Digital Detox fordert eben Opfer. Der Mehrwert soll dafür vielversprechend sein – so heißt es zumindest. Frei von den Geißeln eines ständig vibrierenden Smartphones aufgrund mindestens fünf synchron laufender WhatsApp-Gruppenchats. Und frei von der quälenden Frage, welche Netflix-Serie denn heute Abend über Smart-TV oder Laptop geklotzt wird.

Ist das nicht ein löblicher Gedanke: Smartphone, Computer, Tablet und Co. für ein ganzes Wochenende unberührt zu lassen, um sich mit sich selbst und den Liebsten zu befassen. Ok, zugegeben – irgendwo beunruhigt es einen auch. Sehr sogar. Doch wieso eigentlich? Was hat es mit dieser Abhängigkeit auf sich?

Tag 1: Digital Detox und weiter?

Zu allererst muss klar sein, was mit digital detox gemeint ist. Laut dem Cambridge Dictionary meint digital detox “a period of time during which you do not use mobile phones, computers, etc., because you usually use these devices too much”.* Übersetzt man das Ganze nun, ist von einer “digitalen Entgiftung” die Rede. Klingt etwas radikal, wie man meinen könnte. „Digitales Fasten“ wäre vielleicht eine etwas sanftere Bezeichnung, die aber auch nur beschönigt, was Fakt ist. Und zwar, dass wir abhängig sind von unserem Smartphone und seinen Artverwandten. Laut einem Bericht der Statistikplattform statista haben sich die Österreicher*innen 2008 durchschnittlich 15 Minuten täglich mit ihrem Handy beschäftigt, während es 2018 nun im Durchschnitt 3 Stunden waren.*

Digital Detox Smartphone Apps

Digitale Medien und elektronische Geräte sind Teil unseres Lebensalltags. Nicht umsonst hat bei vielen Menschen das Smartphone seinen festen Platz am Nachttisch. Oftmals nur als Wecker, vielfach jedoch auch aufgrund der Erreichbarkeit. Dabei sprechen wir nicht zwingend von Notfällen, die im besten Fall nicht vorkommen. Kein Wunder also, dass bei einer schnellen Suche auf Google eine ganze Reihe Ratgeber-Artikel, Erfahrungsberichte, Seminare und Workshops angezeigt werden, die sich mit dem Thema der digitalen Entgiftung befassen. Es gibt sogar eigens zu diesem Thema eingerichtete Camps. Frei nach dem Motto: Yoga und Sporterlebnisse statt App-Wahnsinn.

Der Gedanke, sich von einer zunehmend intensiveren Smartphone-Nutzung etwas zu distanzieren, scheint auch mir nicht gerade unschlüssig. Durchgehende Erreichbarkeit dank Social Media und Nachrichtendienste bedeutet nämlich auch für mich immer wieder enormes Stresspotential. Warum also nicht einen Selbstversuch starten?

Die Vorbereitungen

Ganz so schnell lasse ich mir Smartphone und Co. dann aber trotzdem nicht nehmen. Zumindest nicht ohne entsprechende Vorbereitungen. Ich habe für mich entschieden, auf Smartphone, Computer/Laptop, Internet, Smart-TV (Netflix, Amazon Prime, YouTube etc.) und Social Media zu verzichten. Noch vor Dienstschluss prüfe ich daher, ob denn an diesem Wochenende irgendwelche Feiern, Events oder Treffen anstehen, die ich womöglich übersehen habe oder für die noch eine Uhrzeit vereinbart werden muss. Gut, dass ist erledigt. Was noch? Einkaufsliste am Smartphone ist nicht. Bleibt also nur Papier und Stift, aber das ist vertretbar. Neuerscheinungen auf Netflix müssen gekonnt ausgeblendet werden. Und auch sonstige Angebote, die ich über Smart-TV beziehe. Der Hinweis, sich ein Buch zu schnappen, um sich seine Zeit zu vertreiben, wird somit immer deutlicher.

Digital Detox Smart-TV

E-Mails, Messenger-Dienste und Social Media allgemein fallen ebenfalls flach. Das heißt konkret: keine Online-Unterhaltung und kein nur allzu oft sinnfreies Hin- und Herschreiben oder Rauf- und Runterscrollen. Gut, das könnte etwas knifflig werden. Schaffbar ist es aber. Immerhin kann ich meine Freund*innen und Familie ja vorab informieren, warum sie mich nicht erreichen, solange sie nicht an meine Tür klopfen. Achja, auf Online-Banking via App muss ich auch verzichten. Also nochmal schnell zur Bank. Das sind jetzt allerdings nur die Dinge, die mir nach kurzem Überlegen eingefallen sind. Wie die meisten wohl wissen, sieht man erst, was einem (noch) fehlt, wenn es soweit ist.

Einmal zuhause angekommen, braucht es an diesem Tag glücklicherweise nicht mehr viel. Immerhin war es nur ein halber Tag. Bis Mittag musste/durfte ich nämlich noch online sein. Nachmittag und Abend werden dann mit kleinen Besorgungen, einem Besuch bei der Familie und Kochen gefüllt. Das Abendprogramm gestaltet sich in Form von Zeitschriften lesen und Füße hochlegen, während man vom Balkon aus die letzten Sonnenstrahlen verfolgt. Soweit so gut. Wie sehr mir meine elektronischen „Partner“ fehlen auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 10 (sehr sogar)? Sagen wir mal 3.

Tag 2: Wie lange soll das Ganze nochmal dauern?

Samstag, 10 Uhr. Eigentlich wollte ich ja schon um 9 Uhr auf, aber den Smartphone-Wecker konnte ich ja nicht nutzen und einen analogen habe ich leider nicht. Naja, halb so schlimm. Nach dem Frühstück und ein paar Hausarbeiten will ich meine E-Mails und das Wetter sichten. Tja, wollen kann ich ja viel, denn der übliche Griff zum Smartphone muss auf halben Weg abgebrochen werden.Vielleicht ist das nicht einmal schlecht. Somit kein Risiko, dass mich ungewollte Nachrichten stressen. Und was das Wetter betrifft, da muss es eben der Blick aus dem Fenster tun. Blauer Himmel und Sonne. Keine Wolke in Sicht. Also ab an den See.

Gewohntes Entertainment fällt leider aus

Entspannt daliegen und Musik hören. Ein schöner Gedanke. Mal sehen, was sich auf Spotify findet. Achja, Mist. Ich habe nun übrigens bereits aufgehört zu zählen, wie oft ich mich bis zu diesem Moment schon ermahnen musste, Lieblingsapps oder einfach nur gängige Internetseiten aufzurufen. Warum ich das Smartphone nicht gleich ausschalte? Gute Idee eigentlich. Der restliche Nachmittag verläuft ruhig. Sonne tanken, ab und zu ein Sprung ins kühle Nass und früh abends dann sichtlich müde Richtung Zuhause.

Das Wetter hat umgeschlagen. Dunkle Wolken, Sturmböen und prasselnder Regen. Netflix ein und Hirn aus, würde ich sagen. Aber ich muss mich beherrschen. Und das fällt gerade nicht leicht. Wenn wir uns an die Skala-Bewertung von Tag 1 erinnern, liege ich nun bei ca. 7 (= ich vermisse Smartphone und Co. zunehmend). Auf dem Sofa zu liegen, an die Decke zu starren und gefühlt alle 3 Minuten zum Smartphone zu greifen, weil man meint, es hätte vibriert, macht das Ganze nicht gerade leichter. Zwischendurch ein kleiner Snack und etwas Sport lenken etwas ab. Doch spätestens als ich spät abends beginne meine Regale abzustauben, wird mir klar, wie irrsinnig das alles ist. Ich merke, ich muss raus.

Digital Detox Smartphone Bar

Ein kurzer Besuch meines Stammlokals könnte vielleicht helfen. Und siehe da, eine Handvoll bekannter Gesichter findet sich tatsächlich. Zwei kleine Bier später allerdings sitzt die Mehrheit der Runde mit den Gesichtern über ihren Smartphones da. Hier ein Video, da ein Link, der geteilt werden will und so weiter. Keine Seltenheit. Einer in Österreich durchgeführten Statistik aus dem Jahr 2016 zufolge hat dieses Phänomen der sozialen Abschottung aufgrund stark fokussierter Smartphone-Nutzung in den letzten Jahren spürbar zugenommen.*** Es vergeht nicht viel Zeit ehe tagesaktuelle Events diverser Social Media Plattformen zum Thema werden. Beim Mitreden tue ich mir sichtlich schwer, versuche aber, mir davon nicht die Stimmung vermiesen zu lassen. Das gelingt nur bedingt. Als ich nicht viel später im Bett liege, denke ich daran, was – und dieser Satz ist jedem, dank seiner Eltern bekannt – man wohl früher getan hätte, als es all diese elektronischen Möglichkeiten und digitalen Unterhaltungswelten nicht gegeben hat.

Tag 3: Bitte setzt dem ein Ende!

Final day! Nun befinde ich mich auf der Zielgeraden. Nach diesem Sonntag darf ich mein Smartphone wieder ohne schlechtes Gewissen in die Hand nehmen und ohne weiteres durchs Netz surfen. Doch noch steht der gesamte Sonntag dem im Weg. Was mir aber wohl am meisten fehlt, ist die Möglichkeit spontaner Schnappschüssen mit dem Smartphone. Denn auch auf das verzichte ich seit Freitag.

Endspurt mit Kinobesuch

Der Vormittag geht schnell vorüber und dank eines verspäteten Frühjahrsputzes komme ich nicht einmal groß in Versuchung, mich anderweitig ablenken zu wollen. Als es dann gegen Mittag geht, mache ich mich fertig. Kino steht nämlich an. Inwieweit das nun einem ganzheitlichen Digital Detox widerspricht, da heutige Kinoerlebnisse auf digitaler Ebene funktionieren, darf nun jeder für sich entscheiden. Doch da die Verabredung bereits stand, will ich nicht darauf verzichten. Was nach dem Gang ins Kino folgt? Nicht mehr viel. Etwas Sport, Kochen und ein Buch.

Meine Bewertung, wie sehr ich das leuchtende Display oder den bekannten Netflix-Schriftzug vermisse, auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 10 (sehr sogar)? Ich würde sagen, 12. Denn auch, wenn es so scheint, dass diverse Ablenkungen funktionieren, tun sie dies nur bis zum nächsten ruhigen Moment, in dem die Beschäftigung zu Ende geht. Ja, mir fehlt Instagram, WhatsApp, Reddit und all der Rest. Die Uhr zeigt nun 22 Uhr. Morgen heißt es wieder arbeiten. Warum also nicht gut sein lassen für dieses Wochenende.

Fazit

Drei Tage digitale Entgiftung sind überstanden. Was zu sagen bleibt? Leben ohne Smartphone, Tablet, W-LAN und Co. ist möglich und tut definitiv gut. Zumindest in den Momenten, in denen man nicht daran denkt. Theoretisch ist eine solche „Lebensweise“ auf Dauer für viele Menschen jedoch nur schwer vorstellbar, mich eingeschlossen. Immerhin sind unzählige berufliche Aufgaben von einem stetigen Umgang mit Online-Diensten und somit elektronischen Geräten abhängig. Smartphone, Laptop und Social Media bedeuten nämlich nicht nur Zeitvertreib, sondern auch Informationsbeschaffung, Vernetzung und Kommunikation. Abseits des beruflichen Alltags bleibt es einem jedoch selbst überlassen, welchen Stellenwert elektronische Geräte einnehmen.

Digital Detox Workplace

Ganz ohne geht auch nicht

Ein Wochenende ohne Social Media ist befreiend, ja. Keine Smartphone-Filter, keine Stories, kein spontaner Tweet. Und dennoch hat es mir auch irgendwie gefehlt. Was genau? Die Möglichkeit der sinnfreien Unterhaltung. Als bekennender TV-, Film- und Serienenthusiast habe ich das besonders stark gemerkt. Dass allerdings ein Smartphone in vielen Situationen heutzutage zu einem festen Bestandteil eines Treffens mit Freund*innen geworden ist, finde ich ärgerlich. Umso mehr ärgere ich mich, dass auch ich in solchen Situationen oftmals zum Smartphone greife. Und warum tue ich das? Weil ich scheinbar unterbewusst fürchte etwas zu verpassen oder zu übersehen – beispielsweise einen passenden Kommentar zu einer neuen WhatsApp-Nachricht abzugeben oder das „dringende“ Herzsymbol unter einem neuen Bild zu drücken.

Mein Fazit ist, dass viele der hier erwähnten Gerätschaften und digitalen Angebote durchaus seine Daseinsberechtigung haben, nützlich sind, unterhalten, informieren und verschiedene Benefits bereithalten. Ebenso können sie jedoch auch abhängig machen. Wie bei vielen Dingen ist das richtige Maß die Lösung – zumindest für mich. Betrifft es nicht gerade die Arbeit oder vielleicht einen Notfall, mus es Grenzen für die Nutzungshäufigkeit von Smartphone, Laptop oder sonstigem geben. Diese muss dann jeder für sich selbst festlegen.

Übrigens: Falls ihr nun überlegt, ebenfalls an ein digital detox denkt, kann ich nur sagen: Tut es einfach! Denkt nicht zu viel darüber nach. Außer vielleicht über Alternativen zur gängigen Smartphone-Nutzung. Was es da gäbe? Zum Beispiel könnt ihr euch einen Kultur-Kick holen. Wer mehr Bewegung braucht, kann auch Quidditch oder Streetdance ausprobieren. Oder ihr haltet es etwas ruhiger, jedoch nicht weniger spannend und nehmt an einem Ghost Walk teil.

Euer commUNIty-Redaktionsteam

 

Quellen:
*Cambridge Dictionary (2019): digital detox. Online unter https://dictionary.cambridge.org/de/worterbuch/englisch/digital-deto (03.07.2019).
**Schultz, Eva (2018): Statistiken zur Smartphone-Nutzung in Österreich. Online unter https://de.statista.com/themen/3654/smartphone-nutzung-in-oesterreich/(09.07.2019).
***Statista Research Department (2016): Inwieweit hat das Phänomen Phubbing Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren zugenommen. Online unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/588727/umfrage/umfrage-zur-entwicklung-des-phaenomens-phubbing-in-oesterreich/(09.07.2019).

 

Photo-Credits:
Titelbild: Photo by Ravi Kumar on Unsplash
Smartphone, Apps: Photo by Rami Al-zayat on Unsplash
Smart-TV: Photo by Pinho . on Unsplash
Smartphone in Hand: Photo by Alex Ware on Unsplash
Arbeitsplatz, Tastatur: Bild von edar auf Pixabay

Teile diesen Beitrag auf Facebook & Co.