Gütesiegel Praktikum_Kommission (1 von 1)

„Da lernt man doch nur Theorie, aber wo bleibt die Praxis?!“ Nicht selten steht bei Studiengängen genau dieser Kritikpunkt im Fokus. Auch wenn ein Studium (ausgenommen bspw. das Lehramtstudium) in der Regel nicht mit einer direkten Berufsausbildung gleichzusetzen ist, bemühen sich Universitäten um ein erweitertes Angebot. Lösungsansätze sind fächerübergreifende, wirtschaftliche Zugänge sowie „employability“ Soft-Skills im Studium und Studienergänzungen. Eine weitere Möglichkeit Praxiserfahrung zu sammeln sind Pflichtpraktika.

Viele Studiengänge verlangen für einen positiven Abschluss die Absolvierung eines Pflichtpraktikums. Dieses dient dazu, frühzeitig einen Wissenstransfer von Theorie und Praxis (in beide Richtungen) zu ermöglichen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind diese Pflichtpraktika jedoch auch ein Bereich, der Unternehmen die Möglichkeit gibt, unbezahlte Arbeitskräfte zu akquirieren. Um dem entgegenzuwirken, hat im Januar 2019 die Salzburger Arbeiterkammer zusammen mit der Gebietskrankenkasse Salzburg, dem österreichischem Gewerkschaftsbund und der ÖH die Initiative „Gütesiegel Praktikum“ gegründet.

Pflichtpraktikum – Herausforderungen und Anforderungen

Während des Semesters bleibt aufgrund von Pflichtkursen sowie Vor- und Nachbereitung meist nur wenig Zeit für ein vollwertiges Praktikum. Daher versuchen die meisten Student*innen ihr Pflichtpraktikum in der vorlesungsfreien Zeit zu absolvieren. Hinzukommt, dass viele Studierende im Schnitt bereits 19,9h/Woche neben dem Studium arbeiten. 61% arbeiten auch, um sich ihr Studium zu finanzieren. Das Suchen, Finden und Absolvieren eines Pflichtpraktikums ist somit eine zusätzliche Herausforderung – vor allem dann, wenn man sicherstellen möchte, innerhalb seines Kompetenzbereichs zu agieren. Im Fall unbezahlter Praktika muss man sich zudem auf eigene Kosten um einen Praktikumsplatz kümmern. Praktikant*innen bieten jedoch für ein Unternehmen die Möglichkeit, neue Ideen in Aufgaben und Projekte zu integrieren. Eine faire Entlohnung für die Mitarbeit von Praktikant*innen sollte daher Voraussetzung sein. Zumindest in dem Ausmaß, dass der Lebensunterhalt in dieser Zeit gesichert ist und Fahrtkosten oder eventuelle andere (für den Selbsterhalt notwendige) Verdienstausfälle kompensiert werden.

Gütesiegel Praktikum bietet Auszeichnung statt Pranger

Doch wie vermeidet man es, dass Student*innen an unbezahlte Praktika geraten? Eine Möglichkeit sind öffentliche Listen, worauf Unternehmen genannt werden, die beispielsweise im 8-Wochen-Intervall ihre unbezahlte Praktikumsstelle besetzen, um so eine bezahlte Stelle einzusparen. Anders möchte es die Initiative „Gütesiegel Praktikum“ handhaben, die im Rahmen ihrer Tätigkeit ab Oktober 2019 vorbildliche Praktikumsanbieter*innen auszeichnet. In Jury-Sitzungen (siehe Titelbild) prüfen ausgewählte Fachkräfte die Kriterien für das Gütesiegel. Ausgezeichnete Unternehmen finden Nutzer*innen dann auf der Homepage der Arbeiterkammer. Vorbildlich meint in diesem Fall übrigens nicht nur eine entsprechende Entlohnung, sondern auch ein qualitatives Betreuungsverhältnis. Unternehmen, die diese Auszeichnung zukünftig tragen, ermöglichen nämlich gemäß dem Verständnis der Initiative auch Einblicke und Tätigkeiten innerhalb verschiedener Abteilungen und Projekte, garantieren die beidseitige Abklärung von Rechten und Pflichten sowie die Fokussierung des Studienbezugs.

Dein faires (Pflicht-)Praktikum finden

Ein klares Warnzeichen für ein unbezahltes Praktikum sind Ausschreibungen, die explizit als Bewerbungsvoraussetzung ein im Studium vorgesehenes Pflichtpraktikum vorschreiben. Noch auffälliger ist es, wenn ein Unternehmen eine solche Praktikumsstelle wiederholt ausschreibt. Hier müssen Institutionen wie universitäre Plattformen, Jobbörsen oder Studienvertretungen kritisch hinterfragen und als Filter für zweifelhafte Angebote dienen. Doch auch du als Student*in kannst deinen Teil beisteuern. Hast du ein Praktikum absolviert, bei dem du ein faires Gehalt erhalten hast und es klare Vertragsregelungen gab? Gab es ein kompetentes Betreuungsverhältnis? Wenn ja, dann teile deine Erfahrungen zu dem von dir besuchten Unternehmen mit den Initiatoren von „Gütesiegel Praktikum“ und hilf damit anderen Student*innen. Damit du während deines Praktikums als auch danach zudem stets auf der sicheren Seite stehst, legen wir dir darüber hinaus folgende 4 Punkte ans Herz:

Tipps:

  • Halte Vereinbarungen (Arbeitszeiten, genaue Tätigkeiten, freie Tage, etc.) schriftlich fest. Am besten ist es, wenn du eine Praktikumsvereinbarung abschließt, die z.B. auch eine Aufwandsentschädigung enthalten kann, wenn du für deine Tätigkeit kein Gehalt bekommst.
  • Die Praktikumsbestätigung sollte möglichst Bezug auf dein Studium nehmen, sodass du auch an der Universität eine Anerkennung vornehmen kannst, wenn dein Studium das vorsieht.
  • Ein Empfehlungsschreiben am Ende des Praktikums kann im künftigen Arbeitsleben sehr helfen.
  • Gibt es Probleme, melde diese umgehend dem Betriebsrat, der zuständigen Fachgewerkschaft oder der Arbeiterkammer, sodass dir frühzeitig geholfen werden kann.

Maximilian Wagner // STV-Lehramt Universität Salzburg

Photo Credit: Maximilian Wagner

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